(Stand: November 2019)
Die Glykogenose Typ III ist auch unter den Namen Morbus Cori und Morbus Forbes bekannt. Weitere Bezeichnungen sind Glykogenose Typ 3, Glykogen-Speicherkrankheit Typ III, engl. Glycogen Storage
Disease III, GSD III, GSD 3.
Typ III wird weiter unterteilt in die Subtypen IIIa und IIIb, die sich unterschiedlich bemerkbar machen: Bei Typ IIIa sind Leber und Muskulatur betroffen, bei IIIb in erster Linie die Leber.
Es ist eine große Bandbreite bekannt von vergleichsweise mild bis schwer betroffen. Lebersymptome wie Unterzuckerungen treten besonders deutlich im Kindesalter auf, werden aber auch bei vielen Erwachsenen noch beobachtet. Die muskulären Probleme nehmen vor allem bei nicht optimal und unbehandelten Betroffenen mit dem Alter zu.
Gut für die Betroffenen: Mit einer Ernährung, die auf die besonderen Bedürfnisse bei Glykogenose Typ III ausgerichtet ist, kann das Auftreten der meisten Probleme verhindert und die allgemeine Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessert werden. Spätfolgen lassen sich vermeiden, die sich sonst auch bei vermeintlich milden Fällen entwickeln können, zum Beispiel krankhafte Veränderungen des Lebergewebes und des Herzens sowie Knochenschwund und Mobilitätseinschränkungen.
Leider haben Betroffene und Eltern innerhalb der Selbsthilfegruppe Glykogenose Deutschland e.V. feststellen müssen, dass bezüglich Glykogenose Typ III in Deutschland keine einheitlichen Behandlungsrichtlinien existieren und die Betroffenen von verschiedenen Kliniken teils sehr unterschiedliche Empfehlungen erhalten.
Aus Sicht der Familien ist das manchmal schade, weil selbst mildere Fälle von einer guten Ernährungstherapie sehr profitieren können: mehr Energie und Kraft, normales Wachstum, Normalisierung der Blutwerte sowie der Befunde von Leber, Herz und Muskulatur.
Optimal eingestellt können viele Betroffene ein normales Leben mit normaler Lebenserwartung führen, in dem aber die richtige Ernährung und Stoffwechseleinstellung, sowie ausreichend Bewegung, wichtige Rollen spielen.
Bei der Glykogenose Typ III ist das sogenannte Glykogen-Debranching-Enzym nicht voll funktionsfähig. Dieses Doppelenzym (Amylo-1,6-Glucosidase, 4-Alpha-Glucanotransferase), spielt eine wichtige Rolle
beim Abbau von als Glykogen gespeicherten Energiereserven. Ursache ist eine genetische Veränderung.
Subtyp Gen Betroffenes Gewebe
IIIa (3a) AGL Leber und Muskulatur
IIIb (3b) AGL Leber
Der Enzymdefekt in der Leber führt dazu, dass der Blutzuckerspiegel nicht lange aufrechterhalten werden kann. Normalerweise wird beim Gesunden nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit ein Teil der Energie in Form von Glykogen in der Leber zwischengespeichert. Wenn einige Zeit nach dem Essen der Blutzuckerspiegel sinkt, fängt die Leber an, das gespeicherte Glykogen langsam wieder abzubauen. So wird der Blutzuckerspiegel normalerweise stabilisiert. Erst nach längerer Zeit ohne Nahrungsaufnahme werden bei Gesunden andere Reserven mobilisiert, um nicht zu verhungern. Wenn jedoch das Glykogen-Debranching-Enzym in der Leber nicht funktioniert wie es soll, ist der Abbau der Glykogenvorräte in der Leber gestört. Bei den Betroffenen kommt es schon nach wenigen Stunden ohne Nahrung zu einem Hungerzustand, da die vorhandenen Vorräte nicht abgerufen werden können. Die Folge ist eine mehr oder weniger ausgeprägte Unterzuckerung in Kombination mit vermehrter Bildung von Ketonkörpern als Zeichen des Hungerstoffwechsels (Ketose). Im Hungerstoffwechsel werden nicht nur Fettreserven, sondern auch die Muskeln abgebaut und das Muskeleiweiß in Blutzucker umgewandelt (Gluconeogenese). Im Laufe der Zeit wird in der Leber übermäßig viel des nur teilweise abgebauten Glykogens, und aufgrund des Hungerstoffwechsels auch Fett, gespeichert.
Bei Typ IIIa treten ähnliche Probleme auch in den Glykogenspeichern der Muskulatur auf. Die Speicherung von Glykogen funktioniert, jedoch ist der Abbau gestört. Brennstoff für die Muskelarbeit steht daher nur eingeschränkt zur Verfügung. Die Muskelkraft ist herabgesetzt.
Die Glykogenose Typ III gehört wie auch die Typen IX, VI und 0 zu den ketotischen Glykogenose-Typen. Sie werden so genannt, da es durch den rasch einsetzenden Hungerstoffwechsel schnell zur Bildung
von reichlich Ketonkörpern kommt, was bei Gesunden erst nach längerem Fasten oder bei spezieller Diät auftritt.
Viele der betroffenen Kinder werden zwischen dem 4. und 18. Lebensmonat erstmalig auffällig. Bis zur richtigen Diagnose ist es aber manchmal ein sehr langer Weg, der bis ins Erwachsenenalter dauern kann.
Je nach Subtyp und individuellem Fall bemerken Betroffene oder deren Eltern einen durch die vergrößerte Leber vorgewölbten Bauch, Heißhunger, oder aber Appetitlosigkeit, Verdauungsprobleme, unruhigen Schlaf mit schweißiger Haut und morgendliche Übelkeit. Viele Kinder sind eher klein für ihr Alter. Die motorische Entwicklung kann verzögert sein. Typisch ist auch ein rundes „Puppengesicht".
Bei Blutuntersuchungen zeigen sich häufig erhöhte Leberwerte, erhöhte Blutfettwerte und/oder erhöhte Muskelwerte. Nach längerer Nüchternzeit ist der Blutzucker niedrig und die Ketonwerte im Blut sind erhöht. Bei einer Ultraschalluntersuchung fällt häufig eine vergrößerte Leber auf. Bei muskulärer Beteiligung wird eventuell Muskeleiweiß (Myoglobin) im Urin gefunden.
Viele unbehandelte Betroffene sind muskulär eher schwach und haben wenig Energie und Ausdauer. Dies gilt, bei ungünstiger Stoffwechseleinstellung, auch für den reinen Leber-Subtyp IIIb.
Bei Typ IIIa nehmen die muskulären Symptome bei nicht optimal behandelten Betroffenen im Laufe der Zeit zu. Häufig ist auch der Herzmuskel betroffen, was aber meistens nicht zu Problemen führt.
Typische Symptome einer akuten Unterzuckerung sind beispielsweise Schwitzen, Herzjagen, Blässe um Mund und Nase, Heißhunger und Zittern. Außerdem können Konzentrations- und Verhaltensstörungen auftreten, die manchmal als Aggressivität oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) fehlgedeutet werden. Bei sehr ausgeprägter Unterzuckerung können selten sogar Krampfanfälle und Bewusstlosigkeit auftreten.
Bei Typ III ist eine große Bandbreite bekannt, von milderen bis schweren Fällen. Bei vielen Betroffenen werden Unterzuckerungen nach der Pubertät aufgrund des abgeschlossenen Wachstums und des abnehmenden Energiebedarfes seltener. Die Stoffwechselstörung besteht dennoch lebenslang: So können Erwachsene - unbehandelt - durchaus ausgeprägte Symptome zeigen und Spätfolgen entwickeln. Insbesondere die muskulären Symptome können weiter fortschreiten und bereits im Alter von ca. 30-40 Jahren zu erheblichen Einschränkungen führen.
Die Bestätigung eines Verdachts auf Glykogenose Typ III erfolgt inzwischen am besten über einen Gentest, für den lediglich etwas Blut oder Speichel benötigt wird. Eine Leber- oder Muskelbiopsie kann somit vermieden werden.
Da andere Glykogenose-Typen zum Teil ähnliche Symptome aufweisen, bietet sich ein sogenanntes Gen-Panel an: Bei Einsatz des „Next Generation Sequencing"-Verfahrens können innerhalb weniger Wochen mehrere Gene gleichzeitig untersucht werden. Es sollten sämtliche Glykogenose-relevanten Gene sowie weitere mit Unterzuckerungen in Verbindung stehende Gene eingeschlossen werden. So können auch Mischtypen am besten erkannt werden.
Die Glykogenose Typ III folgt dem autosomal-rezessiven Erbgang, daher sind beide Geschlechter gleich häufig betroffen.
Selbst bei einfachen (Über-)Trägern eines Gendefekts - laut medizinischem Lehrbuch sollte dieser Zustand eigentlich irrelevant sein - kann es zu Symptomen kommen.
In Deutschland existieren bisher keine einheitlichen Behandlungsrichtlinien zur Glykogenose Typ III, Neben dem nachfolgend vorgestellten Therapieansatz verfolgen Kliniken auch andere Ansätze, zum Beispiel fettbetonte (ketogene) Diäten, Nicht-Behandlung milderer Fälle oder eine nächtliche Dauersondierung per Magensonde. Der hier beschriebene Behandlungsansatz basiert auf der Langzeit-Erfahrung großer internationaler Glykogenose-Zentren und viele Betroffene innerhalb der Selbsthilfegruppe haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht:
Durch die Ernährungstherapie wird angestrebt, den Blutzuckerspiegel möglichst stabil zu halten. Gleichzeitig soll durch eine eiweißreiche Ernährung der erhöhte Proteinbedarf gedeckt werden, der durch die Verwendung von Eiweiß als alternativer Energiequelle entsteht.
Um Unterzuckerungen und einen ausgeprägten Hungerstoffwechsel (Ketose) zu vermeiden, ist es wichtig, häufige kleine Mahlzeiten einzunehmen. Langsam verdauliche Speisen mit vielen Ballaststoffen, zum Beispiel Vollkornprodukte, sind zu bevorzugen. Die Aufnahme von Kohlenhydraten aus dem Darm kann durch gleichzeitigen Verzehr von Eiweißen und Fetten verzögert werden.
Gute Eiweißquellen, die helfen, den erhöhten Proteinbedarf zu decken, sind zum Beispiel ungesüßter Magerquark, Skyr, Fisch, Fleisch oder Sojabohnenprodukte.
Nicht nur zu niedrige Blutzuckerspiegel sind zu vermeiden, sondern auch zu hohe, da der überschüssige Zucker sonst eingespeichert wird. Dadurch werden Leber und bei Typ IIIa auch die Muskeln belastet. Es wird empfohlen, vor allem die Menge an Einfachzuckern je Mahlzeit und Snack stark einzuschränken. Auch sonstige kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Brot, Kartoffeln und Nudeln sollten begrenzt werden.
Ungekochte Maisstärke spielt eine wichtige Rolle in der Ernährungstherapie. Für viele zunächst überraschend: Es geht hier tatsächlich um handelsübliches „Mondamin" aus dem Supermarkt! Wenn die Maisstärke zum Beispiel in kaltem Wasser, kalter Milch oder Naturjoghurt aufgelöst und dann frisch eingenommen wird, wird diese sehr langsam verdaut und gibt ihre Energie nur allmählich frei. Dadurch kann der Blutzucker erstaunlich gut stabilisiert werden, was vor allem nachts die tolerierbaren Abstände zwischen den Mahlzeiten deutlich verlängert.
Um den hohen Eiweißbedarf Tag und Nacht abzudecken, wird häufig zusätzlich die Gabe eines Proteinpräparates notwendig. Der Proteinbedarf ist noch höher als bei den anderen ketotischen Glykogenose-Typen. Viele Betroffene nehmen abends vor dem Schlafengehen, eventuell auch nachts und tagsüber ihre „Powershakes" aus Maisstärke und Proteinen.
Bei einigen Patienten kann eine modifizierte Maisstärke („Glycosade") statt handelsüblicher Maisstärke die nächtliche Nüchternzeit weiter ausdehnen. Bei jüngeren Kindern erfolgt die Freisetzung von Energie daraus aber eher schon wieder zu langsam, und nicht alle Betroffenen vertragen dieses Präparat gleich gut.
Die richtige Stoffwechseleinstellung sollte regelmäßig mit Messgeräten kontrolliert werden, wie sie auch Diabetiker verwenden. Nicht alle Geräte sind für die bei Glykogenosen eher niedrigen Blutzuckerspiegel gleichermaßen geeignet. Es ist wichtig, nicht nur den Blutzucker zu messen, sondern auch die Ketonkörper im Blut, insbesondere vor den Mahlzeiten, am wichtigsten dabei morgens vor dem Frühstück. Ein normaler Blutzuckerwert alleine kann bei den ketotischen Glykogenose-Typen zu Trugschlüssen führen: Erhöhte Ketonwerte können einen Energiemangel bzw. eine vorherige oder drohende Unterzuckerung aufdecken.
Stoffwechselspezialisten und Ernährungsberater bitten häufig um detaillierte Ernährungsprotokolle über 2-3 Tage einschließlich Blutzucker- und Keton-Messwerten. Diese Daten dienen neben den ärztlichen Untersuchungen und den weiteren Blutwerten als Grundlage für eine Optimierung der Diät und führen zu konkreten Ernährungsempfehlungen sowie Anpassungen der Maisstärke- und Proteinmengen. Regelmäßige Anpassungen sind erforderlich, ganz besonders bei Kindern und Jugendlichen aufgrund des Wachstums. Im Erwachsenenalter besteht wegen des sinkenden Energiebedarfes die Gefahr einer Überdosierung vor allem von Maisstärke, was zu Übergewicht und anderen Problemen führen kann.
Eltern und erwachsene Betroffene aus der Selbsthilfegruppe können bestätigen, dass sich unter einer solchen Ernährungstherapie nicht nur Blutwerte, Leberbefunde, Muskelbefunde und Wachstum normalisieren, sondern auch viele Aspekte der allgemeinen Lebensqualität verbessern können: Betroffene berichten über mehr Kraft, Energie und Konzentrationsvermögen. Außerdem fühlen sie sich ausgeglichener, wenn der Körper nicht immer wieder an seinen Reserven kratzen und daher vermehrt Stresshormone ausschütten muss. Die Ernährungsbesonderheiten empfinden viele Betroffene als gut umsetzbar. Nebenbei wird auch ungünstigen Spätfolgen vorgebeugt.
Betroffene oder Eltern von Betroffenen stehen nach der Diagnose vor vielen Herausforderungen, um medizinische Erfordernisse, eine optimale Lebensqualität und möglichst viel Normalität unter einen Hut zu bringen. Jeder Fall ist unterschiedlich. Bei vielen Details muss individuell im Alltag ausprobiert werden, wie man die Therapieempfehlungen am besten in die Praxis umsetzen kann.
Sehr hilfreich empfinden viele Familien dabei den Austausch mit anderen Betroffenen. Die Selbsthilfegruppe Glykogenose Deutschland e.V. bietet einen solchen Austausch an, unter anderem durch eine jährliche Tagung für Betroffene und deren Familien, bei der auch medizinische Vorträge und Workshops zu Typ III und den anderen ketotischen Glykogenose-Typen stattfinden. Im jährlich erscheinenden Mitgliedermagazin Glykopost finden sich Zusammenfassungen unserer Tagungen und anderer Aktivitäten. Weiterhin existiert ein geschlossenes Online-Forum zu den Glykogenose Typen 0/III/VI/IX, über das ein schneller und informeller Austausch möglich ist.
Während die Selbsthilfegruppe sich ursprünglich eher an die schwereren Glykogenose-Typen (insbesondere Typen I und II) gewendet hat, finden immer mehr von den ketotischen Typen Betroffene und deren Angehörige den Weg in die Patientenvereinigung.
Die SHG Glykogenose Deutschland e.V. steht mit führenden Glykogenose-Experten in Deutschland und der ganzen Welt in Kontakt und kann Hinweise zu neuester Forschung und Expertenerfahrung geben.
Die hier veröffentlichten Inhalte wurden von Mitgliedern der Selbsthilfegruppe nach bestem Wissen und mit größter Sorgfalt erstellt. Sie dienen der allgemeinen Information.
Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte können wir jedoch keine Gewähr übernehmen. Alle individuellen Fragen zu Diagnose, Therapie und Verlauf müssen immer mit den betreuenden Ärzten und Ernährungsberatern abgestimmt werden.
Koordinatorin Glykogenose Typen 0, III, VI, IX (ketotische Typen), IPKH
Christiane Sackstetter
Telefon: 08102/806 045 9
E-Mail: sackstetter@glykogenose.de
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Übersicht zum Download
Vorlage zur Verwendung bei Ketotischen Glykogenose Typen
Vorlage zur Verwendung bei Ketotischen Glykogenose Typen
Präsentation mit Erläuterungen von PD Dr. med. Sarah Grünert (Uniklinik Freiburg)